Besuch der 4. Föhrenwald Konferenz in Israel

Bericht zur Israel-Reise der Badehäusler vom 12. bis 19. März 2023

Der Erinnerungsort BADEHAUS wurde von der Vereinigung der israelischen Föhrenwalder (Organization of Foehrenwald Descendants in Israel) eingeladen, am 16. März an einer großen Föhrenwald-Konferenz in der Nähe von Tel Aviv teilzunehmen. Eine 5-köpfige Delegation unserer Ehrenamtlichen fuhr deshalb für eine Woche nach Israel, um dort die Gelegenheit zu nutzen, neun lebensgeschichtliche Interviews mit Zeitzeugen zu führen, die nach dem Krieg als Kinder im jüdischen DP-Lager Föhrenwald aufgewachsen sind. Finanziert wurde ein Teil der Reise durch das Bundesprogramm „Jugend erinnert“.

Mit dem Verein „Organization of Foehrenwald Descendants“, der diese Tagung veranstaltete, verbindet uns seit Jahren eine besondere Beziehung. Viele der dort tätigen Personen sind im DP-Lager Föhrenwald geboren und haben lebendige Erinnerungen an ihre Kindheit im Isartal.

Tagelang wurde alles zum Flug vorbereitet, denn das umfangreiche Filmequipment mit Kameras, Scheinwerfern, Stativen und Kabeln musste sicher und platzsparend verstaut und alle Koffer transportsicher gepackt werden. Geleitet wurde die Delegation von BADEHAUS-Chefin Dr. Sybille Krafft, die eine Rede auf der Konferenz halten sollte, zu der auch der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung Dr. Ludwig Spaenle eingeladen war. Zur Delegation gehörten drei junge Badehäusler: der stellvertretende Vorsitzende Jonathan Coenen (26, Interviews), der Social Media-Mann des BADEHAUSES Joseph Coenen (21, Ton und zweite Kamera) sowie unser ehemaliger Bundesfreiwillige André Mitschke (20, Kamera). Mit dabei war auch Beirätin Justine Bittner, die fotografisch die Reise dokumentierte und für unser Buch- und Ausstellungsprojekt „LebensBilder“ weitere Porträts von Föhrenwalder Zeitzeugen aufnahm.

Während unseres Israelaufenthaltes hatten wir sehr lange Arbeitstage, denn die Zeitzeugeninterviews brauchten mit Vor- und Nachgesprächen ihre Zeit, auch mussten wir uns täglich durch das Verkehrschaos in Israel kämpfen. Hinzu kamen an den jeweiligen Drehorten der ständige Auf- und Abbau der Technik, so dass wir teilweise von 7 Uhr früh bis Mitternacht unterwegs waren. Die harte Arbeit hat sich aber gelohnt: Wir konnten die einmalige (und vielleicht letztmalige) Gelegenheit nutzen, um Schicksale von Holocaust-Überlebenden für unseren Erinnerungsort BADEHAUS und für künftige Generationen festzuhalten.

Wir sind überwältigt und sehr gerührt von der Gastfreundschaft, mit der wir von allen Föhrenwaldern in ihren Privathäusern empfangen wurden. Teilweise haben wir dort auch übernachtet. Dank der hervorragenden Organisation durch Shoshana Bellen, die selbst 1946 im DP-Lager Föhrenwald geboren wurde, liefen unsere Interviews exakt nach Zeitplan. Wir erfuhren viele neue und sehr bewegende Geschichten und hörten von ganz und gar unerhörten Schicksalen. So musste Lea Goren (78), die den Holocaust in einem unterirdischen Versteck überlebt hatte, später auf dem berühmten jüdischen Flüchtlingsschiff „Exodus“ wochenlang auf Hoher See umherirren, nachdem sie das oberbayerische DP-Lager 1947 verlassen hatte. Moshe Goldfarb (79) konnte dagegen wegen seiner an Tbc erkrankten Mutter, die kein Land aufnehmen wollte, nur nach jahrelangen Bemühungen um ein Ausreisevisum schließlich 1955 nach Norwegen emigrieren. Während Lea Fleischmann (76), Autorin des Bestsellers „Dies ist nicht mein Land“, Deutschland erst 1979 verließ.

An einem der Tage hatte Shai Lachman, Vorsitzender der israelischen Föhrenwalder und Sohn von Gustav Lachman, des ersten frei gewählten Lagerleiters des DP-Camps, eine Überraschung für uns organisiert: Wir bekamen in Jerusalem eine exklusive Führung durch den Amtssitz des israelischen Präsidenten, der ganz in Lachmans Nähe wohnt. Wir fühlten uns sehr geehrt.

Zu einem besonderen Treffen kam es auch zwischen Dr. Sybille Krafft, der Vorsitzenden des Vereins Bürger fürs BADEHAUS Waldram-Föhrenwald e.V. und Steven Schmerz, dem Repräsentanten des Freistaates Bayern in Israel. Das einstündige Gespräch fand in seinem Büro in Tel Aviv statt, wobei die Möglichkeit von zukünftigen gemeinsamen Projekten besprochen wurde wie z.B. Wanderausstellungen und der Austausch zwischen jungen Badehäuslern und jungen Israelis

Leider konnte die 4. Föhrenwald-Konferenz, die der unmittelbare Anlass für unsere Reise gewesen war, dann kurzfristig nur online stattfinden. Israel befindet sich ja aktuell in einer schwierigen innenpolitischen Lage und für den Konferenztag waren landesweit Proteste angekündigt, bei denen wichtige Zufahrtsstraßen blockiert werden sollten. Wir waren natürlich sehr enttäuscht, konnten aber die Entscheidung der Konferenzveranstalter verstehen, denn wir haben Demonstrationen mehrmals miterlebt. Ob an Autobahnbrücken oder Straßenkreuzungen – Menschen schwenkten protestierend die Israelfahne oder fuhren hupend und blinkend in Autokonvois. Überall war eine enorme politische Anspannung spürbar.

So wurden das Grußwort des bayerischen Antisemitismusbeauftragten Dr. Ludwig Spaenle, der zeitgleich in Israel weilte, und die Rede von BADEHAUS-Vorsitzende Dr. Sybille Krafft digital übertragen. Das Interesse der Teilnehmenden an unserem zivilgesellschaftlichen Erinnerungsprojekt war groß, und wir bekamen anschließend zahlreiche Kontaktangebote. Unsere Reise nach Israel diente ja nicht nur dazu, die Zeitzeugeninterviews mit der Kamera aufzuzeichnen, sondern auch historische Dokumente und Fotos bei den Föhrenwaldern zu sammeln, Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu vertiefen.

Drei besondere Highlights seien noch erwähnt: Robbi Waks, einst im DP-Lager Föhrenwald aufgewachsen, wurde später in Israel Geschichtsdozent und zeigte uns während eines mehrstündigen historischen Vortragsrundgangs die Altstadt von Jerusalem. Außerdem besuchten wir im Kibbuz Tzuba ein Mitglied des Badehausvereins, das wichtige Texte für uns ehrenamtlich ins Hebräische übersetzt. Und schließlich waren wir zu Gast in der ultra-orthodoxen jüdischen Gemeinde Kiryat Sanz, die nach dem Krieg von dem chassidischen Religionsgelehrten Rabbi Halberstam in Föhrenwald gegründet worden war. Diesen einzigartigen Einblick in eine für uns sehr fremde Welt werden wir wohl nie vergessen.

Hier finden Sie einen ersten Videoclip mit Antworten von ehemaligen Föhrenwaldern zu unserer Frage, was sie jungen Deutschen mit auf den Weg geben wollen. Weitere Videos werden folgen.

Weitere Details finden Sie in den verlinkten Presseartikeln unter dem Tab „Details“, fotografische Eindrücke unter dem Tab „Galerie“.

Fotos Copyright: Justine Bittner, Jonathan und Joseph Coenen.

Gefördert von: