„Geschändete Heimat“?
In unserer Reihe „Musealie des Monats“ stellt Sarah Lex, zuständig für unsere Museumssammlung, jeden Monat Gegenstände aus unserem Depot vor, die für die Öffentlichkeit momentan nicht sichtbar sind.
In dem Gedichtband „Geschändete Heimat – Gedanken 25 Jahre danach“ beschäftigt sich Rudolf Richter mit den Erfahrungen der Heimatvertriebenen. Insbesondere die Erfahrungen der Nordmähren und Schlesier sind für den Lyriker aufgrund seiner eigenen Herkunft aus dieser Region besonders relevant. Der Band ist 1970 in Wolfratshausen von Adolf Gödel herausgegeben worden. Er stammt selbst aus Bärn (sog. Sudetenland, heute: Tschechien) und hat mehrere Bücher von und über Heimatvertriebene herausgegeben.
Der Gedichtband ist chronologisch unterteilt. Im ersten Teil „Schön war unsere Heimat!“ beschreibt Rudolf Richter wehmütig und voller Nostalgie die Schönheit der Natur und die Einfachheit der christlichen Landbevölkerung. Im zweiten Teil „Schweres Leid überflutete uns!“, schildert er die Erfahrung der Vertreibung. Im dritten Teil „In alle Winde zerstreut!“ thematisiert er das Gefühl, unrecht behandelt worden zu sein und in Deutschland nicht dazuzugehören, sowie die Enttäuschung über fehlendes Verständnis und Aufnahmebereitschaft. Auch die Sehnsucht nach der alten Heimat, die noch Jahre nach der Vertreibung anhält, klingt immer wieder an. Die Wirkung der Gedichte wird vor allem mit Landschafts-Fotografien unterstrichen.
Rudolf Richter erschafft in seinem Gedichtband das einseitige Bild der rechtschaffenen, fleißigen und christlichen Deutschen in Osteuropa. Gewalterfahrungen unter tschechischer Herrschaft werden betont, die den Tschechen unter deutscher Herrschaft angeblich nicht widerfahren wären. Noch Jahre nach der Vertreibung beklagt Rudolf Richter die „Verrohung der Natur“, das „Bröckeln der Infrastruktur“ und die Entweihung der Kirchen und Friedhöfe in den ehemaligen Wohnorten, was die Heimatvertriebenen nach Rache sinnen lassen würde.
Auf dem Foto: Gedichtband aus der Sammlung des Erinnerungsortes BADEHAUS. Copyright: Justine Bittner.
Am 22. Oktober um 18 Uhr wird die zweite künstlerische Intervention im Erinnerungsort BADEHAUS, eröffnet. Michael von Brentano setzt sich in seinem Werk mit den Themen Heimat, Flucht, Trauma und Heimatlosigkeit auseinander.